Gewerkschaftliche Erneuerung - Konferenz der Rosa-Luxemburg-Stiftung
Inhaltsverzeichnis
Mit Organisierung zu Hoffnung #
“Gegenmacht im Gegenwind – Gewerkschaftliche Kämpfe als Antwort auf Rechtsruck, Transformation und Kürzungspolitik” – unter diesem Motto veranstaltete die Rosa-Luxemburg-Stiftung in Kooperation mit zahlreichen Gewerkschaften des DGB die sechste Auflage der Streikkonferenz zur Gewerkschaftlichen Erneuerung1. Bereits am ersten Tag wurde deutlich, dass auch dieses Mal wieder ein Teilnehmer:innen-Rekord gebrochen werden würde. Weit über 3.000 Gewerkschafter:innen und gewerkschaftsnahe Aktivist:innen versammelten sich am Wochenende in den Räumen der TU Berlin, um miteinander in den Dialog zu treten und über gewerkschaftliche Erneuerung zu streiten. Zentrale Frage der Konferenz war die Auseinandersetzung mit den aktuell zu beobachtenden gesellschaftlichen Entwicklungen des Rechtsrucks und den notwendigen Antworten aus Perspektive gewerkschaftlich organisierter Menschen. Praxisnah wurden aktuelle Arbeitskämpfe betrachtet, ausgewertet und diskutiert, wie gewerkschaftliche Arbeit auch in schwierigen Zeiten gestärkt werden kann, um Antworten auf die Herausforderungen unserer Zeit zu geben.
Der gesellschaftliche Zusammenhalt bröckelt. Statt auf aktuelle Herausforderungen mit Zusammenhalt und Solidarität zu antworten, suchen große Teile der Gesellschaft Halt in ausgrenzenden Politiken. Eine neue multipolare Weltordnung bringt mit autoritären Machtspielen alte und neue Konflikte bis hin zur militärischen Eskalation zu Tage. Die sich trotz deutlich abgesunkener medien-öffentlicher Aufmerksamkeit unverändert verstärkende Klimakrise bleibt bis heute durch die herrschende Politik unbeantwortet. Das lässt ganze Regionen in Ratlosigkeit hinsichtlich eines zukunftsfähigen industriellen Transformationspfades zurück. Die Austeritätspolitik mit ihren Sparzwängen, die das Fundament unserer Gesellschaft bedrohen, tut ihr Übriges zu einer neuen “Zeit der Monster”2. Die Vielzahl aktueller Herausforderungen und der gefährliche Erfolg rechter Akteure, die auf allen Ebenen deutliche erhöhte Zustimmungswerte erreichen, fordert dringend wahrnehmbare progressiv-solidarische Perspektiven.
Die Gewerkschaften nehmen dabei mit ihrer starken Verankerung dort, wo gerade durch Spar- und versäumte Industriepolitik diese Herausforderungen im Konflikt von Arbeitskraft und Kapital alltäglich erfahrbar sind, eine zentrale Stellung ein. Die Gewerkschaften können Verbindungen schaffen, sie können solidarisch organisieren und sie können mit Gegenmacht ein Gegenangebot liefern, das den Gegenwind zurückdrängt. Natürlich lässt sich dies viel leichter sagen und schreiben, als es schlussendlich umzusetzen ist. Dass gewerkschaftliche Organisierung aber an vielen Orten genau dies bereits leistet und Basis einer gesellschaftlichen Veränderung sein kann, bewiesen zahlreiche Schilderungen aktueller Arbeitskämpfe im gesamten Bundesgebiet durch die kämpfenden Beschäftigen selbst.
An der Berliner Charité, im Automobilwerk von Ford in Köln oder auch im Tesla-Werk im Brandenburger Grünheide toben derzeit einige solcher Arbeitskämpfe. So unterschiedlich die Voraussetzungen für die betriebliche Organisierung auch sein mögen, so eint alle dieser beispielhaften Arbeitskämpfe die Kraft, die die Beschäftigten aufbringen, um selbstwirksam für die Sichtbarkeit der Verhältnisse und Anerkennung der Arbeitsleistung zu sorgen. Erfolgreich geführte Arbeitskämpfe wie die kürzliche durch die Beschäftigten der CFM erkämpfte Forderung nach Geltung des TVöD auch für die Mitarbeitenden in der ausgegliederten 100-prozentigen Tochtergesellschaft der Charité Berlin, machen deutlich, welchen Unterschied eine mit großer Anstrengung geführte Tarifauseinandersetzung für den Alltag der Beschäftigten bedeuten kann3. Der Tarifeinigung war ein 48-tägiger Erzwingungsstreik vorausgegangen, der in spürbarer Entlastung der Geldbeutel und zusätzlichen Urlaubstagen für Gewerkschaftsmitglieder resultiert. Kämpfe wie diese geben Hoffnung auf die Möglichkeiten solidarischer Organisierung, sowohl aus Perspektive der Beschäftigten, aber auch für die Aktiven in unserer Partei.
Solidarische Gegenmacht: Gewerkschaften und Die Linke #
Folgerichtig thematisierte auch der Leitantrag des vergangenen Bundesparteitags in Chemnitz den Aufbau einer betrieblichen Praxis der Partei. Das knüpft an die bereits bestehende Aktivität zur solidarischen Streikunterstützung und gewerkschaftlichen Vernetzung unzähliger Genoss:innen an, die auch Mitglieder einer Gewerkschaft sind. Konkret findet sich im Leitantrag der Aufruf an alle Genoss:innen “Mitglied in einer DGB-Gewerkschaft zu werden”, “sich am Arbeitsplatz zu organisieren” und “Betriebsgruppen zu bilden”, sowie sich an den Hochschulen “im Studierendenverband dielinke.SDS zu organisieren.” Auch in einem Antrag an die Gesamtmitgliederversammlung in Halle im Juni, den der Stadtparteitag einstimmig annahm, hieß es zur gewerkschaftlichen Vernetzung:
Als organisierende Klassenpartei müssen wir überall dort verankert sein, wo Arbeitskämpfe geführt werden. Dazu zählt insbesondere auch die Stärkung unserer Genoss*innen am Arbeitsplatz und in der Gewerkschaftsbewegung. Insbesondere in Zeiten, in denen wieder eine Ausweitung der Erwerbsarbeitszeit, Einschränkungen des Streikrechts und Sozialkürzungen an der Tagesordnung stehen, muss unser Stadtverband als solidarische Kraft die Kämpfenden unterstützen und gewerkschaftliche Perspektiven in der Partei stärken.
Im Winter startet die Tarifrunde der Länder, die insbesondere für Halle als Universitätsstadt und einen großen Teil der Beschäftigten in unserer Stadt von außerordentlicher Bedeutung ist. Die Beschäftigten sitzen in den Tarifverhandlungen, vertreten durch die Gewerkschaften, den Finanzminister:innen der Länder gegenüber. Im Wahljahr 2026 ist die Tarifrunde zudem auch für uns von großer Bedeutung, um dieanderen Parteien zur Positionierung in der Bildungspolitik oder der zu erwartenden Fortsetzung rigoroser Sparkurse zu zwingen und unsere besseren linken Ansätze aufzeigen zu können. Der Stadtparteitag bestätigte dafür mit seinem einstimmigen Votum die Gründung einer lokalen Arbeitsgemeinschaft Betrieb & Gewerkschaft, die durch einen jährlichen Gewerkschaftsratschlag die Vernetzung gewerkschaftlich aktiver Mitglieder stärken und die Zeitpläne kommender Tarifverhandlungen vorausschauend in die Arbeit des Stadtverbands DIe Linke Halle (Saale) einbringen wird.
Hoffnung zu Frieden #
Nicht zuletzt ist es auch die Friedensfrage, die einer gewerkschaftlichen Perspektive bedarf. Die Bundesrepublik Deutschland steht gemeinsam mit ihren NATO-Partnern vor Aufrüstungseskapaden ungekannten Ausmaßes. Während die Aktionäre der Rüstungskonzerne goldenen Zeiten entgegenfiebern, bedeutet der staatliche Auftragssegen für die Werktätigen, die eigene Arbeitskraft militärischen Zwecken zur Verfügung stellen zu müssen. Die solidarische Alternative zur Friedenstüchtigkeit ist nicht still und beginnt generationenübergreifend an Lautstärke und Selbstbewusstsein zurückzugewinnen. So verdeutlichten am letzten Konferenztag Aktive der ver.di-Jugend ihre Forderung nach “Ausbildungs- statt Kriegsschauplätzen”, sowie einer gerechten “Zukunft statt Rüstung”. Hier zeigt sich einer der vielen Punkte, an denen wir als Die Linke gewerkschaftliche Kämpfe unterstützen können, vor Ort und überregional. In Arbeitskämpfen Seite an Seite mit den Kolleg:innen stehen und ihre Sorgen laut machen – auch so organisieren wir die Hoffnung zu einer solidarischen Gegemacht.